Mittlerweile gibt es eigentlich keinen Bereich unseres Lebens, der nicht öffentlich thematisiert, diskutiert und seziert wird. Ich gebe offen zu, dass ich manchmal die Stirn runzele, welche intimen Details abgehandelt und preisgegeben werden. Vom eingewachsenen Zehennagel, über die Größe der eigenen Vulva, der günstigsten Stellung für Analverkehr bis hin zu Tipps, wie bereichernd Fremdgehen für eine Beziehung sein kann. Na dann …
Vermutlich ist es vorteilhaft, wenn bereit unsere Kleinsten über sämtliche Feinheiten der menschlichen Sexualität aufgeklärt werden, ich bin nur Mutter und keine Kinderpsychologin, daher ist mein Urteil in dieser Sache irrelevant. Ich für meinen Teil habe neben der Anleitung, sich selbst und seinen Körper und damit auch andere angemessen lieben zu lernen, auch einen anderen Bereich unseres Daseins in den erzieherischen Fokus gerückt: Den Tod.
Jeder von uns wird früher oder später damit konfrontiert. Jeder von uns durchlebt Abschied, Trauer und irgendwann das eigene Ende. Trotzdem findet dieser wichtige Teil des Lebens meist im Verborgenen, abgeschieden und abgetrennt vom restlichen Leben statt.
Wer von uns weiss schon, was beim Sterbevorgang passiert, wer von uns kann die Zeichen deuten? Wer kann beurteilen, was mit einem geliebten Menschen, einem geliebten Tier passiert, und unterscheiden, was dem Sterbenden Schmerzen bereitet, wo man eingreifen sollte und was zum natürlichen Loslassen und herunterfahren unseres irdischen Körpers dazu gehört und keine medizinischen Eingriffe benötigt?
Sterben benötigt in der Regel etwas Zeit und passiert körperlich in „Stufen“, die manchmal für den Betrachter sehr beängstigend wirken können. Es gibt viele interessante Bücher zu diesem ungeliebten Thema. Seit geraumer Zeit folge ich auch den Ausführungen und Erfahrungsberichten einiger Hospizschwestern, die ihre erworbenen Erfahrungen mit Sterbenden, ihr medizinisches Wissen unterhaltsam aufbereiten und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Es gibt so unendlich vieles, was Sterbenden das Loslassen erleichtern würde, ihnen mehr Würde schenken. Es gibt so unendlich vieles, das Angehörige wissen sollten, die früher oder später alle einmal damit konfrontiert sein werden und dann hilflos vor Sterbebetten stehen. Viele Ängste und Unsicherheiten könnten genommen werden.
Nach wie vor ist Sterben, körperlicher Verfall und Tod jedoch ein Tabuthema. In unserer vom Jugendwahn derart geprägten Gesellschaft ist Sterben sogar so tabu, dass das Alter zunehmend gefürchtet, ja geächtet wird. Niemand möchte mehr „alt “ sein.
Man kann mittlerweile auf einer Gesellschaft jederzeit über Sex in sämtlichen Varianten sprechen, Gespräche über Tod und Sterben, die dazugehörigen körperlichen Prozesse und wie man ihnen begegnet, sind nach wie vor Tabu Themen. Zufällig weiß ich das genau
Ich finde es spannend, dass immer wieder berichtet wird, wie Sterbende kurz vor dem Tod ihre verstorbenen Haustiere oder Angehörige „sehen“.
Mich macht es nachdenklich, dass Sterbende auffällig oft den Todeszeitpunkt „selbst wählen“ indem sie entweder warten, bis derjenige kurz aus dem Zimmer geht, der vorher Tage und Nächste nonstop anwesend war, oder bis ein geliebter Mensch (oder ein Tier) es geschafft hat, sich zu verabschieden.
Ich bin fasziniert von den Berichten, die den „verklärten Blick“ vieler Sterbenden vor dem Tod beschreiben … genau wie von vielen anderen Dingen, die wir uns nach wie vor nur unbefriedigend wissenschaftlich erklären können.
Und ja, ich sehe den Tod in vielen Fällen nicht als unseren Feind sondern als unseren Freund, der Leid beendet, ein erfülltes Leben vollendet und zum Zyklus des „Seins“ einfach dazu gehört, wie ein unliebsamer Verwandter, den man am liebsten auslädt, die 13. Fee, der jeder von uns irgendwann begegnet. Sie wird sich irgendwann immer Zutritt verschaffen. Gut, wenn man dann vorbereitet ist.
Nach wie vor kenne ich nicht die Vorteile für eine Partnerschaft, die sich ergeben sollen, wenn man seinen Ehepartner betrügt. Diese Sorte Artikel hatte ich mangels Interesse nie gelesen. Aber ich weiss mittlerweile, wie man die Atmung, das gurgelnde Röcheln eines Sterbenden deutet, was da gerade passiert, warum man Sterbenden oftmals keinen Gefallen tut, wenn man sie intravenös mit Flüssigkeit versorgt, die der Körper in dieser Phase aus gutem Grund verweigert, und viele andere Details, wertvolles Wissen und faszinierende Phänomene, die mir persönlich viele Ängste nahmen. Wissen darüber, wie man den Sterbeprozess und das Abschiednehmen erleichtert, nicht verlängert!
Vielleicht sollte es mehr Artikel darüber geben?
Aber was weiß ich schon ?
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Danke danke sehr guter interessanter Ar, bei mir in der Familie, ist die jüngste 70 grad in eine Alterswohnung gezogen, ich 74 wohne i der Pampa im Züri Oberland mach viel Dogsitting, bin in der Natur und denke überhaupt nicht nach zu gehen man kann sich ja alles liefern lassen, ich hab den Wald vor der Hsustür wichtiger als ein Schwatz mit alten Leuten 😉😉 so verschieden sind wir. Vorsorgevertrag. Organspende, Patientenverfüng längstens erledigt…..doch die Wohnung ist für mich soooo wictig,Kühe vor der Türe etc
Sorry liebe Grüsse Anita
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Liebe Bettina Marie,
dein Artikel liest sich schmunzelnd. Der Inhalt ernsthaft und so wahr.
Ich habe damit auch schon Erfahrungen gesammelt, Sterbebegleitung ist ungemein wichtig. Und ja, leider wird einiges falsch gemacht. Darüber müsste es viel mehr Aufklärung geben. Wie oft landen Fälle in den letzten Tagen im Krankenhaus, wo noch alles was Geld bringt unternommen wird, nur weil Angehörigen Angst eingejagt wird.
Ich habe es schon mal geschrieben, es darf keiner mehr in Würde sterben. Das ist traurig.
Lieben Gruß
Claudia
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