Chance, Tierschutz

Was tun wir hier eigentlich, mitten in der Nacht?

Um zu verstehen, warum dieser entnervte Satz fiel, muss ich ein wenig ausholen.

Wie vielen bekannt sein dürfte, unterstützt mein Verein Frieden für Pfoten e.V. viele Tierschützer vor Ort bei ihrer Aufgabe, besonders in Griechenland sind wir gut vernetzt. Jeder unserer Partner in Athen leistet privat.

Wenn sie kranke oder verletzte Tiere aufnehmen, hilflose blinde Katzenbabies oder räudige Hunde, dann müssen sie diese in ihren Privatwohnungen unterbringen und pflegen, dann müssen sie die Tierarztkosten, die Fahrten zum Tierarzt, Impfungen, Katzenstreu und Futter aus eigener Tasche bezahlen.

Irgendwann ist die Grenze des Machbaren erreicht. Die Anzahl der kranken und sterbenden Tiere in den Straßen ist schier unendlich. Irgendwann reichen die Mittel nicht mehr, ist auch der letzte Platz in der Wohnung besetzt, es stapeln sich die Krankenkäfige mit pflegebedürftigen Tieren im Bad, bei manchen sogar im Vorgarten. Adoption laufen schleppend, viele Pflegetiere warten seit Jahren vergeblich… Irgendwann reicht das Einkommen, die Zeit, der Platz und die Geduld des Partners nicht mehr aus, um die Kapazitäten zu erweitern.

Das bedeutet, man muss an solchen Tieren vorbei gehen, die hilfesuchend um die Beine streichen oder unter einem Auto kauern. Es gibt weder Tierheime noch finanzielle Unterstützung.

Unsere Partner sind sehr dankbar, dass wir helfen, diese Rettungen zu finanzieren, dass unser Verein die enormen Mengen Futter heranschafft, damit zumindest halbwegs genügend Futter für die Heerscharen an Straßentieren zur Verfügung steht, die sie an den Futterstellen ehrenamtlich versorgen. Morgens, vor der Arbeit und spät Abends, wenn sich keine Nachbarn beschweren, die solche Futterstellen oft nicht dulden.

Würdet ihr diesen Menschen, die bereits über die eigenen Grenzen gehen, noch ein weiteres Tier zumuten, ein Fremdes, das jemand anderer gefunden hat, der nur Urlaub macht, während ihnen jeden Tag das Herz bricht, weil sie die in der eigenen Straße, das Katzenkind an der eigenen Futterstelle, nicht aufnehmen können? Genau darum werde ich aber oft gebeten:

„Wir sind in der Nähe von Athen und haben eine kranke Katze gefunden, ein Baby, ein verletztes Tier … wir reisen bald ab und benötigen eine Unterbringung bis Impfung und Ausreise möglich sind. Kannst du helfen? Kennst du einen Kontakt.?“

Ich kenne viele Kontakte und ich könnte es vermutlich jederzeit einfordern. Jeder der Helfer fühlt sich uns verpflichtet, jede hätte sicher Sorge, bei einem „Nein“ … und wäre es auch noch so begründet… unsere Unterstützung zu verlieren, weil ich verärgert wäre. Das ist natürlich Unsinn, mir ist die schlimme Situation sehr bewusst und das würde ich niemals tun.

Und dann wäre noch eine andere Frage:

Wer übernimmt dann die Kosten für viele Wochen Pflege, Futter, Katzenstreu, Impfung, Transportkäfig, Tierarztfahrten, Flugkäfig und Kosten des Fluges? Unser Verein kämpft gerade um das nackte Überleben der Straßentiere.

Jeder Helfer würde diesen Luxus gerne den „eigenen Tieren“ vor der Haustüre gewähren, und jetzt soll es eine „fremde“ Katze erhalten, nur weil sie mich angeschrieben hatten, während andere jeden Tag leisten und Einsatz bringen und ihre Tiere werden niemals diese Chance erfahren?

To make a long story short.

Als ich gestern Nacht dann die Bilder des Kätzchens sah, warf ich alle begründeten Bedenken über Bord.

Was wäre mit meinen Austen Jungs passiert, wenn sich niemand erbarmt hätte? Ich funkte Nedde Kübler unsere Adoptions-und Pflegestellen Fee an. Nachts um 12, sie ist ebenfalls nachtaktiv, so wie ich und sie antwortete sofort. Ich schilderte ihr die vertrackte Situation, dass wir vielleicht die Kosten übernehmen könnten, ob sie eine Pflegestelle wüsste. Sie teilte meine Bedenken aber fragt gerade trotzdem nach.

Es ist für alle Beteiligten eine schlimme Situation.

Für die tierlieben Urlauber, die gerade bangen und bereits halb Athen erfolglos um Hilfe gebeten haben.

Für uns, die wir gerne helfen würden aber mit Menschen arbeiten, die bereits über jede Schmerzgrenze belastet sind.

Aber auch für die Helfer, denen ein Nein jedes mal das Herz bricht, denn sie wissen was mit einem Tier passiert, wenn sie es aussprechen.

Wie diese Geschichte ausgeht? Ich weiß es nicht. Wir tun gerade, was irgend möglich ist. Es gibt jede Woche mindestens eine solche Anfrage. Nicht allen konnte ich ein Happy End schreiben.

So ist das im Tierschutz. Wem es nicht gelingt wegzusehen, so wie das die meisten tun, der tauscht irgendwann einen Großteil seines bisherigen Lebens gegen eine Abfolge von Notfällen und unlösbaren Problemen.

Sommer in Athen … Sommer überall, wo vergessene Straßentiere auf unsere Hilfe warten. …

Die einen genießen Sommer, Sonne, Urlaubsfreuden und die Sonnenseite des Lebens, die anderen kämpfen im Schatten und werden dafür meist noch belächelt.

Bildrechte: Gutes Karma to go

Straßenkatzen in Athen

7 Gedanken zu „Was tun wir hier eigentlich, mitten in der Nacht?“

  1. Liebe Bettian Marie,
    du und dein Verein und alle die daran beteiligt sind, ihr seid einfach Spitze!!!
    Ich weiß, man kann nicht alle retten und das treibt einen schon um. Lässt einen nicht schlafen.
    Wenn alles klappt, schicke ich Anfang September einen gewissen Betrag los. Und vielleicht kann ich nächstes Jahr einen Hund adoptieren. Mal sehen.

    Liebe Grüße
    Claudia

    Gefällt 1 Person

  2. Bitte, wenn ihr in Griechenland vernetzt seid, könnt ihr der Kleinen irgendwie helfen, Ratschläge, Pflegestellen, Leute, die eine ca. 4 Wochenalte kleine Katze päppeln und helfen können? Auf meiner mein Facebookseite Thomas Kristott habe ich nun ein kleines Video und Text eingestellt, dringend Hilfe gesucht, vielleicht Pflegestelle in Griechenland, dringend.

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