Geschichten, die der große Kürbis schrieb

Kulturelle Aneignung? Lasst mal, ich bin da raus…

Bereits lange vor dem Aufstieg einer blühenden Cancel-Culture war meine Faible für kulturelle Aneignung nicht überall ein Grund zur Freude. Ich wurde spöttisch belächelt, wenn ich stolz meine original alten indischen Seidensaris zu Anlässen trug, wo andere mit dem klassischen kleinen Schwarzen erschienen. Die sogenannte „Weltmusik“, Reggae-Vibes, Afrikanische und Südamerikanische Rhythmen, keltische Balladen und Indische Klänge waren noch relativ unbekannt und fanden leider wenig Begeisterung. Daher hörte ich sie meist nur, wenn ich alleine war.

Ich behängte mich mit Amuletten, schmückte mich mit Ringen und Armreifen, Haarschmuck und Makeup quer durch alle Kulturen. Ein bunter Mix an Fantasie und Vielfalt. Damals war es zwar nicht jedermanns Geschmack aber es galt als „multikulti“, als „weltoffen“ und spiegelte im Außen die „One World“, (das war der Regenbogen der Boomer), eine Einstellung, die ich stolz zur Schau trug, gegen jede Kritik.

Mittlerweile ist mir das zu blöde. Die Zeiten ändern sich und ich mich mit ihnen.

Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass die Übernahme und Neugestaltung von Elementen aus anderen Kulturkreisen nichts ehrenrühriges oder beleidigendes in sich trägt sondern eine Hommage an die jeweilige Kultur und Vielfalt der Menschen auf diesem Planeten darstellt. Auch wenn man das heute anders sieht. Ich möchte mich da nicht streiten.

Das I -Wort und das N -Wort darf man nicht mehr sagen? Bücher und Märchen werden deshalb gecancelt, die Verlage knicken reihenweise feige ein? OK! Dann eben nicht!

Bestimmer Haarschmuck, Frisuren oder Tattoos führen dazu, dass Konzerte abgebrochen werden? Kein Problem!

Man darf Menschen nicht mehr freundlich fragen, woher sie kommen, wenn man sich neu begegnet? Dann lasse ich das zukünftig!

Einst war ich Weltenbürgerin, begeistert für neues, offen für jeden nur denkbaren Lebensentwurf samt sexueller Ausrichtung, für neue Begegnungen, andere Kulturen, fremde Bräuche. Mode, Musik, Religionen und Kulinarische Besonderheiten. Heute mache ich einen weiten Bogen um derlei Stolpersteine.

Keep your circle small , dann eckst du nirgends an, Schluss mit Multi Kulti! 🙂

Ich koche wieder Kürbis- und Kartoffeln in sämtlichen Varianten. Ich trage einzig Bekleidung, Schmuck und Frisuren, die auf den ersten Blick verraten, wo mein Kulturkreis beheimatet ist. Zwar bevorzugt aus vergangenen Epochen aber streng auf das noch Erlaubte limitiert.

Ich höre nun europäische Musik, unsere Britischen und Französischen Nachbarn haben sich noch nicht über kulturelle Aneignung beschwert, ich hoffe inständig, das bleibt so!

Ich frage niemanden mehr nach seiner Herkunft, meist spreche ich überhaupt niemanden mehr an, den ich nicht kenne und vermeide Blickkontakt, der als „Anstarren“ gewertet werden könnte. Ich lächle auch nicht mehr so viel wahllos in der Gegend herum, wenn ich unter Fremden bin. Ich ignoriere alles mir fremd oder ungewöhnlich erscheinende, anstatt wie früher, neugierig und freundlich darauf zuzusteuern.

So bleibt man auf der sicheren Seite, nicht der Cancel Culture zum Opfer zu fallen, nicht aufzufallen und nicht zu missfallen.

Intolerant und ausgrenzend ist das neue weltoffen 🙂

Um ganz sicher zu gehen, habe ich mir sogar eine eigene Religion erfunden. Den großen Kürbis Kult. Alle anderen Religionen ignoriere ich seither.

Da nur ich die Regeln des Großen Kürbis kenne, kann ich nichts falsch machen, ihn nicht falsch ansprechen und niemanden verletzen. Ich dürfte ihn sogar kritisieren oder verunglimpfen, ohne anschließend um mein Leben fürchten zu müssen. Das ist sehr entspannend. Ich mag diesen alten, weisen Kürbis 🙂

Manchmal liege ich in warmen Sommernächten im Garten neben der magischen Kürbisranke und wir sinnieren über die neuesten Auswüchse der woken Gesellschaft. Eine Gesellschaft oder Teile von ihr, die nicht bemerkt, dass „tolerant und weltoffen“ nur ein Euphemismus für „kleingeistig und limitiert“ ist. Dann kichern wir, der große Kürbis und ich.

Sollen sie alle canceln und streichen, absagen und verbannen, was immer sie möchten. Irgendwann werden sie feststellen, dass die Welt auf diese Weise nicht bunter und empathischer sondern ärmer und gespaltener wird. So schafft man nicht Toleranz sondern Gräben…. oder Inseln. Meinen Lieblingssari und einige mittlerweile geschmähte Kinderbücher habe ich sicherheitshalber mit auf die Insel genommen.

„Off Limits“ ist dort mein neues „Welcome“. Auch ich kann Grenzen ziehen und canceln.

Ich cancle die Cancler 🙂

Aber Pssst ❤