Chance, Seelenmarzipan

Kulturelle Aneignung? Keine Sorge, wir Hexen sind gechillt und großzügig …

Der Glaube an Hexen ist so alt wie unsere Zivilisation.

Schon im alten Ägypten und auch im alten Rom war man überzeugt davon, bestimmte Frauen wären magische Wesen, die andere Menschen und auch Tiere mittels Magie und Zaubertränken verhexen konnten. Und da die Menschen seit jeher dazu neigen, Sündenböcke zu suchen, wenn etwas nicht so läuft wie sie sich das vorstellen – oder wenn ihnen etwas Angst macht, – mussten Hexen seit jeher büßen, wenn Krankheiten, Seuchen, Naturereignisse oder medizinische Kenntnisse den Pöbel oder die Obrigkeit verstörten.

Das finstere Mittelalter war, gemessen an den grausamen Hexenverfolgungen, längst nicht so finster, wie manche denken. Richtig übel für Hexen und alle, die dafür gehalten wurden, wurde es erst viel später in Europa, etwa um das Jahr 1600.

Das Wetter spielte auch damals schon verrückt und da es noch keine Grünen gab, die die Welt mittels Steuern und Verzicht und Selbstgeißelung retten konnten, schob man die Schuld an den verregneten und kalten Sommern und an den schlechten Ernten den „Hexen“ zu. Für die Kleriker und Richter war es nicht die „Kleine Eiszeit“, die diese Wetterkapriolen verursachte, sondern „schwarze Magie“

Dann gab es auch noch den Dreißigjährigen Krieg und schreckliche Seuchen, wie die Pest. Was lag da näher, als in flächendeckende Massenhysterie zu verfallen und die Schuldigen, also die Hexen, endlich nachhaltig zu verfolgen? Für diese Verfolgung, für Anklage, Folter und Bestrafung gab es einen gerne gelesenen Leitfaden: den nach dem neuesten Stand der Wissenschaft verfassten „Hexenhammer“, den niemand anzweifeln durfte, wollte er nicht selbst auf dem Scheiterhaufen landen. Meist traf es Frauen, doch auch Männer und Kinder, ja selbst Tiere wurden der Hexerei bezichtigt, sie wurden verfolgt, gefoltert und hingerichtet.

Es gibt Schätzungen über das Ausmass der Hexenverfolgung in Mitteleuropa:

Man spricht von rund 50.000 unschuldigen Menschen, die der Hexenverfolgung zum Opfer fielen. Am Klima änderte sich erst einmal nichts aber wertvolles Wissen verbrannte mit den Heilerinnen und Hebammen auf den Scheiterhaufen. Angst, Denunziation und Aberglaube beherrschte das tägliche Leben. Dieser Irrsinn dauert bis weit in das 18. Jahrhundert. Die letzte offizielle Hinrichtung einer „Hexe“ in Mitteleuropa fand übrigens in der Schweiz statt, im Jahr 1782.

Alles nicht so lustig und ein schrecklicher Verlust für unsere Kultur und für unsere Gesellschaft, nicht nur an verlorenem Wissen und Heilkunst. Trotzdem schreit niemand auf, wenn nun zu Halloween kleine und große Mädchen zu Ehren der Hexen ihre Besen aus der Scheune holen, wenn sie ihre besten Ringelstrümpfe anziehen und die geschmückten Hexenhüte aufsetzen.

Niemand hinterfragt, ob sie das dürfen, ob das „kulturelle Aneignung“ wäre, niemanden interessieren Blutlinien oder Abstammung, keiner teilt sie nach „Muggel“ oder „Zauberer“ ein – sondern jeder der möchte, darf für einen Tag Hexe sein, die Echten, genau wie die Möchte-Gerns.

Wir Hexen haben viele Talente. Eines davon ist Toleranz und ein gewisses Laissez faire: Leben und Leben lassen.

Schade, dass man diese Talente damals mit auf den Scheiterhaufen verbrannt hat. Heute fehlen sie uns an so vielen Stellen ❤

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