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Neue Geschichten aus Lunas Sternengarten – Teil I von III Teilen

„Das ist mein Platz, Dickie! Wir passen nicht beide auf diesen Sessel, nicht wenn du dich immer so breit machst!“ Captain war sichtlich erbost und versetzte seinem großen Bruder Darcy einen kräftigen Hieb mit der Tatze, der die Ohrfeige natürlich prompt erwiderte, sich dann aber doch gekränkt ein Plätzchen auf der Couch suchte. Schließlich räkelten sich beide wieder friedlich auf ihren Lieblingskissen und taten das, was sie am liebsten taten, wenn es draußen klirrend kalt war, wenn die Schneeflocken vom Himmel tanzten und ihr Garten im Winterschlaf lag: Sie träumten von neuen Abenteuern.

Die jungen weißen Kater liebten Abenteuer und konnten nie genug davon erleben. Daher waren sie wenig begeistert, als mitten in ihrem schönen Traum von einer wilden Mäusejagd plötzlich eine weiße Katze auftauchte, die ihnen etwas wichtiges mitteilen wollte. Mittlerweile wussten sie, dass Lunas Erscheinen stets mit einer neuen Mission verknüpft war und ausserdem hatten die beiden einen Heidenrespekt vor der strengen weissen Katzendame, wenn sie in eine Wolke aus funkelndem Sternenstaub gehüllt, in ihren Träumen auftauchte. Mr. Darcy und Captain unterbrachen abrupt die Verfolgungsjagd und spitzten im Schlaf gespannt die Öhrchen.

Luna sass am Rande des Sternengartens und lächelte insgeheim über den Eifer ihrer Schützlinge. Es war nicht einfach gewesen, die beiden heimatlosen Straßenkätzchen von einem Tierheim in Spanien, zu ihrem Menschen zu bringen. Viele magische Träume und jede Menge Sternenstaub waren notwendig gewesen, bis das ewige Schicksalsband zwischen ihnen geknüpft werden konnte, bis ihr Mensch endlich erkannt hatte, wo die neuen Herzenskatzen auf sie warten. Und dann waren noch ein paar magische Träume mehr nötig gewesen, bis sie es schließlich wagte, ihrem Herzenswunsch zu folgen und sich am Ende dann doch alles zusammenfügte. Die Austen Boys, Mr. Darcy und Captain und Lunas Herzensmensch ergaben das perfekte Match. Was würde ihr Lieblingsmensch nur ohne sie tun? Captain und Darcy wussten nun, was sie zu tun hatten. Luna schnurrte zufrieden. Es war an an der Zeit, für den nächsten Traum. Ihre Augen wurden groß und färbten sich dunkelblau vor Liebe, während sie eine Wolke aus Sternenstaub formte, die die wichtige Botschaft zu ihrem Lieblingsmenschen auf die Erde tragen sollte.

Aus der Ferne hörte Luna Pferde wiehern und Hunde bellen, es schepperte und klirrte laut in der großen Festhalle. Vermutlich hatte der kleine Faith wieder mit den Rattenbrüdern oder mit ihrer Schwester Lilly, Fangen am Tisch gespielt. Sie fauchte ärgerlich über die Unterbrechung und war kurz abgelenkt. Die rosa Wolke aus Sternenstaub, in die Luna ihren Traum gehüllt hatte, sank zurück auf den Boden des Sternengartens und löste sich in viele kleine, rosa glitzernde Staubkörnchen auf.

Vielleicht war das ein Zeichen. Luna wusste Zeichen seit jeher zu deuten und beschloss, noch einmal gründlich über den Traum nachzudenken, den sie ihrem Menschen senden wollte. Es würde nicht einfach werden, denn wenn es im Universum jemanden gab, der genauso dickköpfig war, wie wie selbst, dann war das ihr Lieblingsmensch. Man musste behutsam vorgehen. Und man musste dafür sorgen, dass die tägliche Party im Sternengarten zukünftig etwas leiser stattfinden würde und ohne Scherben! Die alte Katzendame erhob sich und dehnte dabei ausgiebig alle angespannten Muskeln, dann putzte sie sorgfältig den letzten Rest Sternenstaub aus dem Fell. Ihr Fell sollte perfekt aussehen, wenn sie gleich auf Valerion traf …

Nicht nur im Sternengarten bereitete man sich hingebungsvoll auf den Weihnachtsabend vor, auch auf der Erde wurden gerade die Häuser und Gärten festlich geschmückt.

Sie schnitt ein paar lange Ranken des alten Efeustrauches an der Hausmauer ab, legte sie in den Korb und pflückte dann noch spontan eine der Blüten aus der leuchtend weißen Christrosenstaude und steckte sie sich ins Haar. Es war ein magischer Moment. Die Wintersonne streichelte über die weiße Pracht im Garten, vom Haus tönte der Tanz der Zuckerfee aus dem Lautsprecher und über die verschneite Wiese tollten zwei Katzen. Ein Moment des Glücks. Dann drehte sie sich um und ihr Blick fiel unvermittelt auf das Grab.

Für einen kurzen Augenblick kam, völlig unerwartet, die Trauer zu Besuch ins Paradies. Zusammen mit Luna war auch die Vergangenheit und die Trauer um andere geliebte Lebewesen dort begraben … im Schoß von Mutter Erde, in Rosen gebettet und bewacht von einem magischen Kürbis, der prächtig gedieh. Seine Blüten und Blätter waren in jedem Herbst ein Sinnbild für das neue Leben, das aus Vergangenem entstanden war. So funktionierte nun einmal der Kreislauf des Lebens. Sie seufzte nachdenklich. Ein aufgebrachter Mr. Darcy unterbrach ihre Gedanken.

Er wollte seine neueste Beute unbedingt für sich behalten und Captain war entschlossen, sie ihm wieder abzujagen. Bei der daraus resultierenden, wilden Verfolgungsjagd, über Fensterbänke, Laternen und Adventsgestecke hinweg, warf er alles um, was gerade im Weg stand. Unwillkürlich musste sie wieder lachen, als die beiden sich schließlich im Schnee kugelten und sichtlich Spass an ihrer brüderlichen Rangelei hatten. Die Maus war mittlerweile längst vergessen. Wie oft hatte sie sich ausgemalt, dass die Austen Boys durch diesen Garten toben würden. In ihren Träumen waren sie dort bereits Zuhause, ehe es überhaupt ein Karma Cottage gab, vielleicht sogar schon, ehe es die Austen Boys gab.

Manchmal ist es schwer, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Die Grenze zwischen Realität und Träumen ist ein schmaler Pfad und der Weg ändert sich täglich, weil wir ihn selbst erschaffen. Immer wieder neu. Sie zupfte die Christrosenblüte wieder aus dem Haar und legte sie dann neben die kleine Skulptur aus Sandstein, die zusammen mit Lunas sterblichen Überresten in den Garten des Karma Cottage gezogen war. Lunas Grabengel war eine Katze, was sonst? Höchste Zeit, zurück ins Haus zu gehen. Es wartete noch jede Menge Arbeit …

Eine neue Mission

„Ist das hier jetzt neuerdings der Partyraum? Entweder ihr seid zukünftiger etwas leiser oder ihr sucht euch einen anderen Ort als die große Halle, zum Krach machen! Man kann euch bis in den letzten Winkel des Sternengartens hören!“

Luna peitschte ungeduldig mit dem Schwanz, während Iron und Leos Hundegang in Seelenruhe das zerbrochene Geschirr wieder einsammelten und durch neues Tafelservice aus Sternenstaub ersetzten. Lillys neueste Idee hatte für viel Erheiterung aber auch für jede Menge Bruch gesorgt. Sie ignorierte den vorwurfsvollen Blick ihrer Katzenschwester und fragte beiläufig:

„Warum bist du in letzter Zeit eigentlich so schlecht gelaunt, Schwesterherz? Hat Captain wieder einmal auf deinem Grab gepinkelt? Verbring nicht so viel Zeit am Ausguck! Deine Mission war ein riesen Erfolg: Unser Mensch ist wieder glücklich, zwei kleine Straßenkätzchen haben ein wunderschönes Zuhause gefunden – alle sind happy und haben Spass. Und Spass ist genau das, was dir in letzter Zeit fehlt! Vielleicht möchtest du auch einmal probieren, ob du mit einem einzigen Sprung über die gesamte Tafel springen kannst? Wir stehen gegen die Pferde derzeit gut im Rennen …“

Das war das Stichwort für den kleinen Faith. Er schlüpfte an Nollaig vorbei, schnurrte entschlossen, nahm Anlauf und setzte bereits zum nächsten Sprung an. Die Zuschauer im Speisesaal tobten vor Vergnügen, als er auf halbem Weg abrutschte, von einem verdutzten Leo aufgefangen wurde, der dann ebenfalls die Balance verlor und beide schließlich mit einem lauten Rumms unter dem Tisch landeten. „Strafpunkt für Team Katzen“, wieherte Ballerina und stiess dabei mit ihrem Schweif ein paar weitere Näpfe vom Tisch. Luna verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg zu ihrem Pavillon. Valerion, der das turbulente Geschehen in der großen Halle und vor allem Luna aufmerksam beobachtet hatte, folgte ihr unauffällig. Er zog sich erst wieder diskret zurück, als sie die kleine Pforte vor dem Aufgang zum Marmorpavillon erreicht hatte, dort erstaunt die frischen Zweige mit Katzenminze vorfand und genüsslich daran schnupperte. Sie hatte sein Geschenk also gefunden und es gefiel ihr.

Aus sicherer Entfernung bewunderte er ihre unverwechselbare Silhouette, die in der Dämmerung ausgelassene Sprünge, fast bis in den Sternenhimmel des Sternengartens machte. Nichts an dieser Silhouette erinnerte mehr an die unnahbare und strenge Katzendame, die jedem Respekt einflößte, wenn er ihr begegnete. Er wartete, bis sie schließlich mit einem Zweig Katzenminze im Mäulchen, im Pavillon verschwunden war. Dann suchte er sich ein gemütliches Plätzchen im Sternenstaub und beschloss, diese Nacht vor ihrem Haus zu wachen. Irgendetwas machte ihr Kummer. Falls Luna heute Nacht vielleicht doch noch Träume auf die Erde senden wollte, dann wäre er zur Stelle und würde ihr dabei helfen.

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In dieser Winternacht wurde tatsächlich ein Traum auf die Erde gesendet, doch es war nicht Luna, sondern die Mutter der Austen Boys, die ihre Liebe und ihre Botschaften mit Kraft der Magie in Sternenstaub fügte und zur Erde schickte.

„ … und was hat Mama noch gesagt? Warum ist sie überhaupt zu dir gekommen und nicht auch zu mir?“ Mr. Darcys Näschen legte sich in tiefe, kummervolle Falten, während er aufmerksam Captains Schilderungen lauschte. Immer wurde sein kleiner Bruder bevorzugt! Sogar im Traum!

„Sie kam zu mir, weil du schon perfekt Mäuse fangen kannst und mir wollte sie dazu noch etwas erklären … außerdem hat sie am Schluss des Traumes gesagt, dass sie stolz auf uns beide ist!“ antwortete Captain ungewohnt einfühlsam und fügte dann neckend hinzu: „ … oder sie kam zu mir, weil du gerade wieder einmal so laut geschnarcht hast, dass du sie in deinem Traum gar nicht hören konntest …“ Er wich einer Tatzenohrfeige seines Bruders geschickt aus und sprang vom Bett. „Bestimmt besucht sie uns bald wieder einmal. Jetzt lass uns zu den Teichen gehen und nachsehen, ob sie mittlerweile zugefroren sind. Vielleicht gelangen wir auf diese Weise endlich ans andere Ende der Welt, ohne dabei nass zu werden. Mama im Sternengarten wird begeistert sein, wenn sie sieht, was für mutige Abenteurer und Entdecker wir geworden sind!“ Damit war der brüderliche Frieden wieder hergestellt und bald ragten nur noch zwei weiße Schwanzspitzen aus dem hohen Schnee, die sich einträchtig nebeneinander, Richtung Teiche bewegten…

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„Wie ist eigentlich der Vater der Austen Jungs so? Du bist zierlich und klein, deine Jungs sind riesig. Sie müssen nach ihrem Vater geraten sein. Lebte er auch auf der Straße, so wie du?“ Die weiße Siamkatze schleckte genüsslich den letzten Tropfen Rahm von ihrem Frühstücksnapf, ehe sie antwortete und nickte Iron anerkennend zu, für das leckere Frühstück, das er wieder gezaubert hatte. „Er hatte prächtiges rotes Fell und er war der größte und mutigste Kater weit und breit und dabei doch freundlich und gerecht, wenn er unsere kleine Familie und unser Rudel beschützte. Mr. Darcy hat viel von seiner Kraft und von seiner, manchmal etwas ruppigen und tollpatschigen Art geerbt. Und er war ein Streuner und Gentleman, genau wie unser Sohn Captain. Als ich unter die Räder eines Autos geriet, ist er bis zu meinem letzten Atemzug bei mir geblieben. Er war ein Held, genau wie seine Söhne. Manchmal besuche ich ihn im Traum und erzähle ihm, wie gut sie es getroffen haben.“

Das Gespräch wurde unsanft unterbrochen, als Lilly auf Ballerinas Rücken in den Speisesaal galoppierte, gefolgt von einem Rudel Hunde, die wild durcheinander bellten. Schnitzeljagd war die neue Lieblingsbeschäftigung aller Sternengartenhunde. Nicht nur Leo, auch Suchota, Csipi, Bingo und der Rest der fröhlichen Hundeschar machten begeistert dabei mit und suchten den nächsten Hinweis, der, laut Lilly, im Speisesaal versteckt war. Mittlerweile war sich die zerstreute Lilly jedoch nicht mehr sicher, ob sie den Hinweis tatsächlich dort versteckt hatte und der Lärm wurde immer ohrenbetäubender.

„Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug zum Ausguck?“ Inmitten des Trubels war Valerion, zwischen den Hunden hindurch, zu Iron und Luna an die Tafel geschlüpft. Luna stimmte mit einem erfreuten Schnurren zu und damit war das Gespräch mit der weißen Katze vorerst beendet.

„Ich muss dir unbedingt etwas erzählen! Gestern lag ein Geschenk an meiner Pforte, das mich sehr glücklich gemacht hat. Letzte Nacht hat Lilly mir Katzenminze vor die Türe gelegt. Meine kleine, vergessliche Schwester hat sich tatsächlich daran erinnert, wie sehr ich Katzenminze liebe! Ihr Gedächtnis wird beständig besser, ist das nicht wunderbar? “ Luna schniefte gerührt und bemerkte daher nicht, wie das Leuchten in Valerions Augen für einen kurzen Moment ein klein wenig verblasste …

„Das sind wirklich erfreuliche Nachrichten. Wie aufmerksam von Lilly, dich so zu beschenken. Aber willst du mir nicht endlich verraten, was für einen Traum du deinem Menschen senden möchtest, über den du nun schon so lange grübelst?“ fragte er schließlich. Und dann begann Luna damit, ihm zu erklären, was sie vorhatte …

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